Dienstag, 22. Juni 2010

„Freund sein“ auf Facebook & Co


Diverse VZ´s, Lokalisten, MySpace, Facebook & Co. machen es einem sehr leicht sich zu befreunden. Ein grosses Wort, wie ich finde (wäre eine „Verlinkung“ nicht angebrachter?), aber generell verändert sich das reale Leben in eine Art Pause von dem viel bunteren, schnellerem und vorallem mit „log off - Buttons“ versehenen, virtuellen Leben.

Neulich nach einer Party lernte ich viele neue Leute kennen, mit denen ich mich eine Nacht lang unterhalten habe. Über Gott und die Welt und über dies und das... Vor einigen Jahren noch, wäre das höchstens der Anfang einer Bekanntschaft gewesen. Vielleicht auch nur ein toller Abend. Aber nicht im Zeitalter von Facebook! Heute habe ich nach so einem Fest an die 8 neue Freunde. Jaaaaa, richtige Freunde! Ist das nicht toll?

Vorbei die Zeiten, in denen ich mich anstrengen muss, jemanden langwierig kennen zu lernen und mich schlimmstenfalls noch mit demjenigen auseinander setzen darf. Ich muss mich nicht ein paar mal Verabreden, oder gar mühsam Essen gehen und mich mit meinem Gegenüber austauschen.

Nein! Alles was ich tun muss, ist mir den Namen meines neuen Freundes merken (Ich lass das in der Regel aus und frage bestehende Freunde meines Freundes) und ihn bei Facebook finden (suchen muss man hier ja kaum noch jemanden). Dann drücke ich den Button „Freundschaftsanfrage senden“. Optional könnte ich noch eine persönliche Nachricht dranhängen, das mach ich nicht. Ich kenn ihn ja nun nicht so gut.

Nach einiger Zeit (in der Regel keinen Tag) kommt eine Benachrichtigung, dass mein Wunschfreund nun tatsächlich mein Freund ist. Das ist einfacher, als ein Bahnticket zu kaufen.

Nun stecke ich die in Listen, verpasse ihnen Filter, damit sie meine persönlichsten Informationen nicht alle sehen können, sich nicht überall einmischen sollen, denn schliesslich sind wir nur Freunde. Wichtig ist natürlich die Zahl der Freunde..... Die 400-er Grenze zu knacken oder gar an die 1000 Freunde zu haben ist schon was ganz Tolles. Es zeigt, dass Du es geschafft hast, sozial total integriert und unmissverständlich ein Alphatier bist.

Das dieses Vorgehen einiger Freunde tatsächlich bereits Auswirkungen auf Ihren gesunden Menschenverstand (oder Ihren Prozessor) haben, zeigt folgendes Beispiel;

Im Leben eines Freundes, der einen Freund des Freundes kannte (nur um hier die Geschichte von mir selber in eine Distanz zu bringen) hatte sich der reale Freundeskreis gesund geschrumpft. So was gibt es, im richtigen Leben (Anm. des Schreibers an die jüngere Generation) durchaus und ist nichts schlimmes. Während ungefähr 7 Monate in Realität nichts miteinander geredet wurde, Versöhnungen den Bach runter rutschten und es nur noch eine Farce war, das ganze „aufrecht“ zu erhalten, entschloss sich der Freund, seine einst reale Welt, auch virtuell zu löschen und sogar zu blockieren. Hat den selben Effekt, wie 7 Monate nichts mehr miteinander zu reden und keine Gemeinsamkeiten mehr zu haben.

Könnte man meinen.

Es ist ein Affront dies zu denken, geschweige denn, dies zu tun. Eine Welle der Entrüstung, des Hinterfragens und des Unverständnisses ging durch den virtuellen Raum. Warum, wieso und weshalb macht dieser Freund so etwas. Es wurde sich lustig gemacht und Löschen wird als „Krank“ bezeichnet.

Wo leben wir, wenn die virtuelle Handlung schneller als das Leben ist? Wenn der reale Zustand gesondert von Facebook und Konsortien angenommen wird und vor allem wenn Löschen mehr Bedeutung hat, als eine Freundschaft, die zerbricht?

In diesem Sinne
Wollen wir Freunde sein?
Sasha


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