Montag, 1. November 2010

Das ganze Leben ist eine Soap ||


RTL, Pro 7 und Sat 1 zeigen mir täglich, wie man lebt, Schulden macht, Häuser kauft und einrichtet, Kinder auf einer Treppe vergisst, den Schulabschluss nicht macht, Wohnungen zumüllt und wieder aufräumt, seine Seele und seine Autos verkauft. Ich lerne, wie man ein Ei in die Pfanne haut, den besten Freund gleich mit und wie Kevin mit Chantalle pünktlich zu ihrem 17. Geburtstag ihre vierköpfige Kleinfamilie um einen Schreihals aufstocken.

Infotainment, Dokutainment heisst so was dann. Oder auch Unterschichten TV.

Gescriptet heisst, dass die normalsten, langweiligsten und banalsten Dinge nun nicht mehr das Leben schreibt, sondern irgend so ein unterbezahlter mediengeiler Redaktionsfuzzi mit befristetem Vertrag. Da darf also ein RTL geschädigter 22-Jähriger erfahrungsloser, teilzeitarbeitsloser Schwachmat Schicksal spielen.

Sämtliche Tragödien, Aufklärungen, Schicksale und Beziehungsdramen sollen realistisch und lebensnah über den Äther verteilt werden. Um nicht mit Laien zu arbeiten, die zu doof für Regieanweisungen sind und die Produktionsfirma eine Menge Asche kosten, weil die mit ihrem Gebrabbel und ihrer Selbstinszenierung nicht auf den Punkt kommen, nimmt man Laien, die mit Schauspielerei so viel am Hut haben, wie Nonnen mit dem Strassenstrich. Mit einem hirnlosen Script ausgestattet, zeigen uns dann diese Darsteller, wie man in allen Lebenslagen noch tiefer sinken kann.

Informieren und Aufklären ist der Auftrag, die Mission dieser Medienschaffenden. Information wird als Unterhaltung verpackt und der Zuschauer will dies offensichtlich rund um die Uhr. Ganz Deutschland eine bildungsfreie Sollbruchstelle? Lebenshilfe in allen Lebenslagen? Oder einfach nur sinnfreier Zeitvertreib?

Warum schauen wir uns diesen Dreck an? Ist es diese klassische „Irgendeinem geht´s noch dreckiger als mir“- Haltung, die wir hier pflegen? Oder die pure Schadenfreude, wenn die siebenfache Mutter während Ihrer Kommunion den Liebhaber Ihrer Mutter knutscht?

Alles leicht verpackt, bloss keine Anstrengung unter der Frisur und dem Niveau keinen Höhenflug verpassen.

Dokumentarfilmer werden Arbeitslos, denn wer will einen tiefen, genauen Blick auf die Dinge werfen, wenn es auch in Instantform als Quickie geht. Alles nur halb zu wissen und Meinungen vorgefertigt und reisserisch zu äussern ist der Schlüssel zum Erfolg.

Ich kenne Menschen, die denken tatsächlich, Inka Bause geht einem romantischen Auftrag nach, weswegen Sie inzestöse Bauern mit übergewichtigen, liebestollen Weibern verkuppelt. Dass hier Menschen zusammengeführt werden. Das hier ein ehrlicher Auftrag besteht. Hier wird vorgeführt nicht zusammengeführt.

Ich muss dazu sagen, ich bin hoch empfänglich für all diesen Müll, diesen Dreck und diesen Unrat. es gibt mir dieses Gefühl von absoluter Überlegenheit, Intelligenz und Souveränität. Die grössten Schicksale werden zur Lachnummer, zur Farce, zum Popcorn-Event. Das ganze Leben ist eine Trueman-Show.

Und ich bin „Mitten im Leben!“
In diesem Sinne
Colour your live - we love to entertain you