Freitag, 11. März 2011

Die Leiden eines Neurotikers - Ein durchaus biografischer Blog




Bahnfahren, Warteschlangen im Supermarkt, Kantinenkühlschränke, Buffet Essen, angefangene Tetra Packs, Kochtöpfe mit Resten und der alltägliche Spiessruten Lauf ums „Überleben“

Ich werde älter, keine Frage. In vielen Dingen auch weiser, gelassener und souveräner. Klingt fabelhaft, allerdings kein Grund, deswegen einen Blog zu verfassen. Eine klitzekleine Kleinigkeit (kann man das so schreiben?) fällt mir mit dann doch auf... Ich bin, und ich formuliere es mal direkt und auf den Punkt - ein Neurotiker. Ein Grosstadtneurotiker sozusagen. Um es richtig zu stellen; Ich spreche hier von der Ally McBeal- und Woody Allen Neurose, nicht von der medizinisch fundierten psychischen Störung (Obwohl; was soll´s?!)
Also von der Neurose, die schon im Jahre 1776 durch den schottischen Arzt William Cullen festgestellten Macken, bei denen man nicht wirklich weiss, woher zum Teufel sie kommen.

Früher die wildesten Abenteuer vollzogen, statt den Aufzug das Bungee Seil benutzt, statt Honig aufs Brot zu streichen direkt Bienen gekaut und mir mit der Machete die Eier rasiert reicht mir heute bereits mit einem fremden Plastikkugelschreiber an der Supermarktkasse den Kassenbon zu unterschreiben. Der Puls rast, Fluchtgedanken kommen auf und auf der Stirn treffen sich die Schweissperlen zu einer grossen Party.

Ja, ich habe eine zunehmende Abneigung, Allgemeingut zu benutzen, mit meinen Händen anzufassen. Es ist nicht nur eine Abneigung, es gleicht einem Abenteuer, einer Mutprobe, einem Spiessruten Lauf, meinen Alltag ohne aufkeimende Ekelgefühle zu bewältigen.

Anfassen ist vielleicht nicht ganz richtig. Es reicht, unschöne, unförmige, ungepflegte Dinge, Menschen, Situationen zu sehen, zu riechen, mir alleine nur vorstellen zu müssen, zu riechen, zu sehen, um einen Adrenalinstoss zu bekommen und eine latente Paník zu verspüren. Nun könnte man sagen, dass ich mir das einfach nicht vorstellen soll, nicht hinschauen muss und mir die Nase zuhalten kann. Klingt gut, geht aber nicht. Zum einen konfrontiert mich die Grosstadt mit einer Flut an solchen Situationen, zum anderen möchte ich das auch. Irgendwie. Immer schön den Finger in die Wunde

Ich verrate Euch noch mehr aus meinem wahrhaft heldenhaften Leben, meinen todesmutigen Aktionen denen ich täglich ausgesetzt bin: ich fühle mich als Vietnam Krieger, wenn ich Kantinenkuchen essen darf (es sei denn ich packe ihn aus und schneide das erste Stück ab), wenn ich Milch nutzen möchte die ich nicht selber geöffnet habe und/oder die schon offen im Kühlschrank stand. Als Titelheld im Actionknaller fühle ich mich mit einem Kind im Brabbelalter an meiner Seite. Ständig in der Angst beworfen, angespuckt oder mit Kotze dekoriert aus der Situation zu kommen. Warteschlangen ohne einen Sicherheitsabstand von gefühlten 326 Metern zum Vordermann sind widerlich; Ich fokussiere dann die Haut des Lebensmitteljägers vor mir, ich schaue nach Schuppen, nach Katzenhaaren auf den Klamotten (dieses Thema lasse ich aus, das wäre zu viel), nach Schmutz in den Ohren und so weiter, Ich kann gar nicht anders. Und wenn ich dann etwas entdecke dann atme ich einfach nicht mehr. Zumindest in dem Umfang, dass ich nicht Tod umfallen muss.

Der Indiana Jones in mir kommt durch, wenn ich mich in der Strassenbahn festhalten muss! Festhalten = Kettenreaktion im Kopf:
--> Vor mir hielt hier eine verschwitzte Person sein Gleichgewicht --> mit Schnupfen --> und Kindern --> der gerade einen Döner gegessen hat --> und sich die Knoblauchsauce von den Fingern geleckt hat --> jetzt fass ich das an --> dann fängt mein rechtes Augenlid an zu zittern (Ekelreaktion) --> dann reibe ich das Auge und Achtung jetzt geht´s los --> Die fiesen Vorgängerbazillen schwimmen durch den Tränenkanal und infizieren mich --> Ach, den Rest könnt Ihr Euch denken. Fakt ist, dass ich sterbe. Oder ich bekomme eine Hirnblutung. Oder Schnupfen. Oder einen Ausschlag. Oder eine Glatze. Auf alle Fälle schadet mir das. Sicher. Ganz sicher.

Man könnte meinen ich sollte lockerer werden, auf´s Land ziehen oder mir direkt die Kugel geben? Nein, diese Ideen kann ich nicht umsetzen (In der freien Natur kommen selbstredend eine Million Dinge zusätzlich dazu und was wenn die Kugel bakteriell verseucht ist)

Ich nehme es einfach so hin, spreche nur in diesem Blog über diese Entwicklung, trage es wie ein Mann, gehe souverän damit um und sehe einem Leben voller Abenteuer entgegen.



Sasha